Sonntag, 20. Juni 2010

Entsorgt.

Es ist etwas, das sie schon vor einer ganzen Weile hätte tun sollen. Etwas, das sie immer wieder vor sich her geschoben hat. Am Anfang hat sie es einfach nicht über's Herz gebracht. Doch mit der Zeit, mit seinem Verhalten, wurde das Schicksal dieser Dinge immer mehr besiegelt.
Es ist eine Kiste. Eine Kiste gefüllt mit Dingen aus ihrer Vergangenheit. Aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Sie hat für jeden ihrer Ex-Freunde eine solche Kiste, auch wenn es nicht besonders viele sind. Auf dem elterlichen Dachboden stehen zwei. Diese hier hat eine andere Geschichte. Keine Schulliebelei, keine Jugendbeziehung. Etwas, was vielleicht gar nicht hätte passieren dürfen.

Man kann Ereignisse nicht ungeschehen machen. Das weiß sie. Doch man kann mit ihnen abschließen und sie zumindest zum Teil vergessen. Und wenn dazu dieser kitschig-symbolische Schritt notwendig ist, wird sie ihn gehen.

Bisher hat sie die Freunde, die, aus welchen Gründen auch immer, sie auf ihrem Lebensweg nicht mehr weiter begleitet haben, immer in guter Erinnerung behalten. Doch er hat das nicht verdient. Nicht mehr.

Auch wenn sie es war, die Schluss gemacht hat. So war sie zumindest ehrlich. Sein Verhalten war und ist für sie nicht begreiflich. Wird es niemals sein. Doch mit etwas Glück und Geschick muss sie ihn nie wieder sehen. Nie wieder ein Wort mit ihm wechseln. Sich nie wieder seinen gehässigen und hinterhältigen Attacken aussetzen.
Nie wieder an ihn denken.

Sie holt die Kiste unter ihrem Schreibtisch hervor. Tut noch ein paar Dinge hinein, die sie beim Aufräumen entdeckt hat und sieht all das, was von ihrer Beziehung übrig geblieben ist, neben der Erinnerung in ihren Gedanken und ihrem Herzen.
All das Zeug. Sie will es gar nicht weiter angucken. Sie weiß auch so, was sich noch alles in der Kiste befindet.
Kinokarten, die er ihr geschenkt hat. Das Portmonee, dass er ihr auf dem Weihnachtsmarkt gekauft hat. Den Kalender, den sie für ihn gestaltet hat. Die Tasse, die ihr seine Eltern geschenkt haben. Briefe. Das Kuscheltier, das er ihr aus seinem Urlaub mitgebracht hat.

Sie hat noch nie eine dieser Kisten entsorgt. Diese hat es nicht anders verdient. Hat keinen Platz mehr in ihrem Zimmer, ihrem Leben und ihren Gedanken und Erinnerungen verdient.
Es kommt alles weg. In die große schwarze Mülltonne, die auf dem Hof steht.

Sie nimmt die Kiste unter den Arm, den Schlüssel vom Haken und öffnet die Tür zum Flur. Es ist niemand mehr unterwegs. Das Treppenhaus verwaist. Draußen ist es dunkel. Im Hof haben sich vom Regen kleine Pfützen gebildet. Angekommen bei den Mülltonnen öffnet sie die erste. Voll. Die zweite. Voll. In der dritten findet sich noch ein Platz. Sie setzt die Kiste ganz oben auf den Haufen. Sie gehört jetzt dazu. Ist nichts weiter als Müll. Der Abfall des Lebens. So ist das. Das ganze Zeug. Nicht mehr wert als die alte Bananenschale und die benutzten Taschentücher mit denen es sich nun den Platz in der Tonne teilt.

Auf dem Weg zurück in ihr Zimmer fühlt sie sich erleichtert.
Nach sechs Monaten hat sie es endlich geschafft.
Es ist vorbei.

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